Zeichnen und Schreiben gegen das Vergessen
02. Juli 2025
Liebe Emilia,
ich weiß, du bekommst diesen Brief hier nicht, aber ich will dir trotzdem schreiben. Wir haben gerade das Jahr 2025 und es herrschen immer noch Kriege […]. Du bist 4 Jahre alt geworden und wärst du noch am Leben, wärst du bestimmt ein Model, du bist wunderschön und dass du diese Schönheit nicht der ganzen Welt persönlich zeigen konntest, ist ein Verlust für alle. Ich schaue dein Bild an und weine innerlich. Warum mussten all diese Kinder sterben und du auch? Du warst noch so klein… Jetzt, 80 Jahre nach Kriegsende kann ich dir in die Augen schauen. Ich weiß nicht, wann du gestorben bist, aber auch, wenn ich an diesem Tag noch nicht gelebt habe, fühle ich mit dir, denn […] du bist in mein Herz gekommen. […] Jetzt wachst du vielleicht über mich und ich fühl‘ mich gleich stärker. […] Selbst, wenn mir etwas Schlimmes passiert – dir ging es schlechter. Bleib stark, egal was dir im Himmel […] passiert! Ich möchte dir gern sagen, dass alles gut wird… In Gedanken bin ich bei dir.
Deine Martha
Einen Brief zu schreiben an ein Kind, einen Jugendlichen, die Opfer des Nazi-Terrors wurden und in großformatigen Porträts in Kohle im Eberswalder Museum zu sehen sind, war Aufgabe für die Schülerinnen und Schüler der Klasse 7e am Mittwoch, den 02. Juli 2025. Dem Künstler Manfred Bockelmann, der die Zeichnungen schuf, geht es darum, den unzähligen Namen und Nummern ein Gesicht zu geben und sie so aus der anonymen Opferstatistik herauszuheben. Auch durch die gedankliche Kommunikation unserer Schülerinnen und Schüler mit einem Kind bekamen die anonymen Schicksale eine Gestalt, die fremden Kinder eine Geschichte und unsere Jugendlichen das Gefühl, Geschichte fassbar zu machen. Das ist ihnen auf beeindruckende Art und Weise gelungen.
Ähnliche Gedanken haben auch Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 11 bei der Ausstellungseröffnung durch die Begegnung mit dem Künstler selbst am 08. Mai 2025 empfunden. Sie halfen bei der Installation der auf Leinen gefertigten Kohlezeichnungen und erlebten, wie der Künstler seine Motivation für die Werke ausdrückte.
Dass die Wirkung der Zeichnungen bei den Schülerinnen und Schülern eine sehr persönliche und individuelle ist, beschreibt das Ende einer ihrer Briefe:
„Es ist schwer sich vorzustellen, was dir alles passiert ist. Manchmal denke ich mir, du könntest auch ich sein. Dann bin dankbar, dass ich in meiner Zeit geboren bin.“